| Allgemeines:
Mad River ist
jenseits des Atlantik einer der Marktführer in Sachen Canadier. Nachdem
1972 das damals neue Material Royalex für den Canadier-Bau eingeführt
wurde (Trip von Old Town 1974), brachte die Firma 1975 erstmals den
Explorer in Royalex auf den Markt, der sich schnell zu einem der
meistverkauften 16-Fuß Allround-Canadier entwickelte. Ausschlaggebend
waren neben den Materialeigenschaften von Royalex die gutmütigen
Fahreigenschaften bis zum leichteren Wildwasser und die hohe
Zuladungskapazität. Von 1983 bis 1991 gab es den Explorer auch in 17 Fuß.
1992 wurde der 17-Fuß Explorer vom Revelation abgelöst.
MadRiver selbst schreibt über den Revelation:
Our most versatile "big" canoe. Once described as the
"Volvo station wagon of canoes" the Revelation is a
river-tripping loadmaster with good tracking, especially loaded. Versatile,
durable and surprisingly maneuverable, this is the canoe when capacity is
needed and conditions require maneuvering and a dry ride.
Trotz der Subjektivität und Marketing-Abhängigkeit von derartigen
Firmenstatements kann hier kaum widersprochen werden. Gedacht als
Allround-Boot mit hoher Stabilität, Zuladungskapazität und trockenem
Lauf bei gutmütigen Fahreigenschaften, ist der Revelation bis heute einer
der interessantesten Royalex-17-Fuß-Canadier für Fließgewässer bis
Wildwasser.
Rumpfform:
Die Abmessungen von 518cm Länge und 94cm Breite weisen bereits auf ein
hohes Volumen hin, welches beim Revelation jedoch noch über dem
erwarteten Wert liegt aufgrund sehr voluminöser Enden bei symmetrischer
Rumpfform. Die Höhe an Bug und Heck liegt bei 61cm, die Seitenwandhöhe
in der Mitte wird offiziell mit 35,8cm angeben - ein kleiner Teil geht
hierbei "verloren" durch den flachen V-Boden, wodurch die
effektive Seitenwandhöhe etwas niedriger liegt. Bei starker Beladung
(deutlich über 300kg) bleibt im mittleren Bereich hierdurch nicht sehr
viel Freibord, was unter normalen Bedingungen aber kein Problem darstellt
und eine relativ niedrige Windanfälligkeit mit sich bringt, die
Trockenheit beim Befahren von Stromschnellen mit höheren Wellen bei sehr
hoher Zuladung jedoch eingeschränkt, da Wellen meist nach ca. einem
Drittel der Bootslänge über den Rand steigen. Der Revelation hat einen
deutlichen Kielsprung (mehr als z.B. der Explorer) und sehr viel Flare in
Bug und Heck, die Mittelsektion ist gerade, die Chines sind relativ weich
gehalten (soweit möglich bei V-Boden - andere Canadier mit rundem Boden
haben weichere Chines). Mad River gibt die Zuladungskapazität für einen
Rest von 15cm Freibord mit 544kg an - ein extremer Berg an Gepäck und
Menschen, der unter üblichen Bedingungen weder erreicht wird noch zu
empfehlen ist. Realistisch sind eher um 350kg, maximal vielleicht 400kg.
Durch die hohe Breite in der Bootsmitte können hier sehr bequem zwei
Kinder nebeneinander sitzen, wofür bei derartigem Dauerbetrieb eine
dritte Sitzbank leicht montiert werden kann.
Materialien/Ausstattung:
Den Revelation gibt es aus gutem Grund nur in Royalex entsprechend seinem
Einsatzgebiet moving water bis Wildwasser. Das Royalex ist entsprechend
der Belastung wie bei den meisten andere Herstellern unterschiedlich dick
an verschiedenen Stellen im Bootskörper. Der Revelation ist relativ steif
für ein Royalex-Boot dieser Größe, ein wenig wabert der Boden im
Bereich der V-Schenkel in der Bootsmitte. Auch nach 4 Jahren teils stärkerer
Beanspruchung sind bisher keine ersten Schäden am unten mittlerweile ganz
überwiegend aus Kratzern bestehenden Bootskörper aufgetreten. Das
Gewicht liegt ohne Extras bei fast unerträglichen 35kg (wie bei den
meisten anderen 17-Fuß Royalex-Konkurrenten), wodurch Tragen alleine über
längere Strecken eine Herkules-Angelegenheit ist. Die Standardausstattung
ist grün oder rot mit Vinylrand, der bei MadRiver Aluminium-verstärkt
ist. Aufpreispflichtig ist der sehr stabile und gut verarbeitete Süllrand
aus Weißesche. Alternativ gibt es den Revelation auch unter dem Namen
Duck Hunter 17 Fuß in olive - der Holzrand wird hier ab Werk dunkel
gebeizt. In allen Versionen sind Rattan-Sitze Standard, haltbarer sind
Flechtsitze. Bemerkenswert ist die sehr stabile MadRiver-typische
Holzbefestigung der Sitze. Auf Wunsch erhält man geformte Rattan- oder
Flechtsitze (muldenförmig, etwas bequemer). Der Holzrand ist aus
aesthetischen Gründen und wegen der höheren Steifigkeit zu empfehlen,
wenn die Pflege und der Aufpreis kein Problem darstellen. Der Revelation
mit Holzrand kostet derzeit ca. stolze 2250,- Euro (grob). Unbedingt
empfehlenswert ist bei härterer Benutzung im WW ein Bug- und Heckschutz
aus Kevlar, fest eingeklebte Kniepolster sowie zumindest Endbags (3D30
Voyageur oder vergleichbare). Auf die Vinylschicht im Bootsinneren können
diverse D-Ringe für Befestigung von Gepäck usw. bombenfest geklebt
werden (vinyl adhaesive).
Fahrbericht:
Getestet wurde der Revelation auf diversen stehenden und fließenden Gewässern
in Süddeutschland, Österreich, Italien, Slowenien und Skandinavien mit
bis zu 2 Erwachsenen, 2 Kindern mittlerer Größe und vollem Tourengepäck
(350kg) sowie ohne oder mit geringem Gepäck auf WW bis III°.
V.a. für Anfänger oder Familien mit Kindern auffallend positiv ist die
sehr hohe Anfangsstabilität, die von keinem mir bekannten Kanadier übertroffen
wird. Auch die Endstabilität ist sehr hoch, eine Kenterung außerhalb von
WW II°-III° ist im allgemeinen nur mit Absicht oder durch groben Unfug möglich.
Die Sitzposition im Bug ist v.a. für kleinere Paddler ergonomisch nicht
optimal aufgrund der hier schon hohen Bootsbreite, ggfs. kann der vordere
Sitz etwas nach vorne montiert werden, falls ausschließlich kleine
Personen hier sitzen sollen und kein Endbag im Bug benutzt werden soll (dürfte
aber aufgrund des Haupteinsatzbereiches meist eher nicht in Frage kommen).
Die Sitzposition hinten ist etwas besser, aber auch hier wird das Boot
schnell breit vor dem Hintermann, so daß das Paddeln parallel zur Längsachse
im Vergleich zu anderen schlankeren Canadiern nicht optimal bequem ist.
Diese Nachteile gewinnen genau dort Bedeutung, wo der Revelation ohnehin
nicht seinen Anwendungsschwerpunkt hat und nicht besonders gut geeignet
ist - auf langen Touren mit hoher Geschwindigkeit auf stehenden oder
anderen offenen Gewässern v.a. mit windgetriebenen Wellen. Im
Anwendungsfall wie gedacht - nähmlich downriver - verlieren diese Punkte
stark an Bedeutung, denn hier spielt der Revelation gerade durch seine
Form alle Trümpfe aus. Der Lauf in hohen Wellen ist enorm trocken und die
Stabilität in bewegtem Wasser sehr hoch. Die Empfindlichkeit gegenüber
Querströmungen ist ohne Kanten (v.a. bei stärkerer Beladung naturgemäß)
mittelhoch, mit Aufkanten (gut möglich) kein Thema. Durch den flachen
V-Boden ist trotz deutlichem Kielsprung die Richtungsstabilität und
Spurtgeschwindigkeit sehr gut, was sich v.a. in wuchtigeren Stromschnellen
sehr positiv auswirkt. Die Drehfreudigkeit liegt aufgrund der Länge natürlich
unter der von Booten wie 16-Fuß-WW-Touren-Booten MadRiver Freedom oder
Old Town Appalachian. Mit guter Technik und nicht zu starker Beladung ist
der Revelation jedoch recht drehfreudig und eddy-hopping ist die pure
Freude, solange es nicht zu eng wird. Im Vergleich zu vorgenannten 16-Fuß-WW-Canadiern
punktet der Revelation aber durch höhere (auch Richtungs-) Stabilität
und Volumen. Verblocktes technisches Wildwasser macht weniger Spaß und
hier sind auch bald die Grenzen erreicht. Zum Surfen braucht man
entsprechend der Bootsgröße etwas größere Wellen. Im Toureneinsatz mit
starker Beladung bleibt der Revelation enorm stabil, gewinnt weiter an
Richtungsstabilität und wird recht windunanfällig. Windgetriebene Wellen
auf Seen sind mit die größten Feinde des Revelation, denn diese bremsen
durch Platschen gegen den voluminösen und dann stampfenden Bug die Fahrt
stark ab. Der Revelation ist aufgrund seiner Formen kein schnelles Boot
gemessen an guten laminierten Tourencanadiern und kann hier naturgemäß
in keiner Weise mithalten in Sachen Leichtlauf. Gute
Tourengeschwindigkeiten sind für ein eingespieltes Team auf Fließgewässern
aber gut möglich, auch auf ruhigeren stehenden Gewässern läuft das Boot
noch akzeptabel (und bessere als etliche andere insbesondere kürzere
Royalex- und PE-Boote). Kurzfristig sind hohe Geschwindigkeiten bei
entsprechendem Krafteinsatz möglich (z.B. Vorwärtsfähre in sehr starker
Strömung). Alleine und leer gefahren wird der Revelation sehr drehfreudig
und noch wellentauglicher in Stromschnellen, durch die hohe Bootsbreite
mittschiffs und das insgesamt sehr hohe Volumen ist eine Solo-Anwendung
jedoch nicht als Schwerpunkt sinnvoll.
Anwedungsbereiche:
Sehr gut geeignet ist der Revelation v.a. für folgende
Anwendungsbereiche:
- Touren mit oder ohne Gepäck auf Fließgewässern bis hin zu leichtem
oder mäßig schwerem Wildwasser
- Gemischte Touren wie o.g. mit relevantem Anteil an steinigen Fließgewässern
oder WW, Expeditionen, harte Uferbedingungen
- sportlicher Einsatz auf mäßigem bis schwerem nicht zu stark
verblockten Wildwasser (Flotation usw.)
- kürzere Touren auf geschützten stehenden Gewässern mit Kind und Kegel
Zugeladen werden können bei weiter guten Fahreigenschaften 2 Erwachsene
und 2 Kinder mit vollem Tourengepäck.
Weniger gut geeignet ist der Revelation für längere Touren auf
stehenden, insbesondere offenen windexponierten Gewässern oder für die
Anwendung auf stark verblocktem WW.
Fazit:
Der Revelation ist ein relativ vielseitiger großvolumiger
Royalex-Canadier mit hoher Stabilität und ausgewogenen Fahreigenschaften
mit klarem Anwendungsschwerpunkt Fließgewässer bis Wildwasser III°.
Vorteile sind enorme Stabilität, ein guter Kompromiß zwischen
Richtungsstabilität und Wendigkeit, sehr trockener Lauf in Stromschnellen
und hohe Zuladungskapazität. Nachteile sind hohes Gewicht und Preis. Für
die Anwendung zu zweit schlägt der Revelation die meisten 16-Fuß-Royalex-Konkurrenten
im Bereich down-river-touring und nichtverblocktes Wildwasser durch höhere
Kapazität, besseren Lauf und Richtungsstabilität sowie bessere
Wellentauglichkeit, wenn das höhere Gewicht verkraftet werden kann. Für
die Familie mit Kindern und nicht reine Anwendung auf stehenden,
nichtsteinigen oder Großgewässern (dann laminiertes Boot!) und zu
erwartende oder mögliche härtere Beanspruchung auf flachen oder
steinigen Fließgewässern ist der Revelation allererste Wahl aufgrund
hohen Volumens, außerordentlicher Stabilität und gutmütigen
Fahreigenschaften, mit steigendem Können bietet sich die
Anwendungsausweitung auf zunehmend schnelleren Fließgewässern bis ins WW
und die ganz große Tour/Expedition an. Die genannten Vorteile werden
durch ein hohes Gewicht erkauft, welches das Handling an Land deutlich
erschwert und längere Portagen nicht empfehlenswert macht. Der Revelation
ist mittlerweile relativ teuer, dafür erhält man aber ein für den
Anwendungszweck erstklassiges Boot in sehr guter Verarbeitung.
Einen weiteren Testbericht zum MadRiver Revelation von einem sehr viel
mehr erfahrenen “open canoeist" als mir gibt es unter http://www.open-canoe.de/de/
.
Walter
Ruckdeschel
ADIRONDACK OHIO CEDAR CANOE NORTHWOODS PROSPECTOR
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