Der YUKON

(Text + Fotos von Bernhard Unterladstetter)

Als wir 1990 Mitte Mai in unserem ersten eigenen Kanu auf dem Yukon die letzten Häuser
von Whitehorse hinter uns ließen, war uns noch nicht klar, auf was wir uns da eingelassen hatten. Wir waren immer schon mit Zelt und Rucksack in den Bergen unterwegs gewesen und wussten, wie man draußen zurechtkommt, aber jetzt war uns schon etwas anders zumute.

5 Tage zuvor waren wir nach einer 50-stündigen Busfahrt mit dem Greyhound von Vancouver um 6 Uhr früh in Whitehorse bei leichtem Schneefall angekommen. Kanufahren? Uns schien eher die Zeit für Frühjahrsschifahren.
Vor 4 Monaten hatten wir bei Lauche und Maas Dirk kennengelernt, der mit seiner Erzählung und Diashow über seine Yukon-River Fahrt im Jahr zuvor, unseren Yukon-Plan ins Rollen brachte. Wir waren nach Vancouver geflogen und hatten von Vernon bei Hougens in der Mainstreet ein Kanu gekauft. Er hatte uns dann abends bei dem großen Whirlpool am Yukon die Grundbegriffe des Kanufahrens beigebracht. Wir gehörten zu den 50 % seiner Touristenkunden, die nicht beim ersten Mal im Whirlpool baden gingen. Das tat unserem Selbstvertrauen gut.

Noch etwas ungelenk manövrierten wir unser Kanu um die nächste Flussbiegung. Auf einer wunderschönen kleinen Insel im Fluss schlugen wir unser erstes Nachtlager auf. Dagmar hatte darauf bestanden, dass wir uns mindestens eine Woche lang von frischen Lebensmitteln ernährten und so gab`s heute zu gegrilltem T-Bone-Steak Broccoli mit Cheddar überbacken und Kartoffelsalat. Elf Uhr abends und warme Spätnachmittagssonne ? Durch seine so weit nördliche Lage geht die Sonne am Yukon im Sommer nur wenige Stunden wirklich unter. Richtig dunkle Nacht wird es erst wieder gegen Ende August.
Der nächste Tag sah uns am Beginn des Lake Laberge. Der Yukon fließt in einer Art Delta in Dutzenden von Kanälen zwischen Sandbänken in den See. "Da stehen Möwen im Wasser", rief Dagmar. Was die da wieder sehen wollte.

Wir waren mitten auf dem See und liefen im nächsten Moment auch schon auf einer Sandbank auf. Raus aus dem Boot, ins eiskalte Wasser und ziehen. In den nächsten Stunden waren wir heilfroh um unsere Neoprensocken, die wir noch in Vancouver beim Mountain Coop gekauft hatten. (Wie Sport Scheck, aber als Kooperative mit Preisen..... $ 40 für ein DM 200 Fleece)

Der zweite Abend sah unser Lager in einer traumhaften Bucht, unser Zelt hinter einer kleinen Baumgruppe geschützt, uns ziemlich heißhungrig über das Karotten-Zucchini-Gemüse mit Reis herfallend. Müde aber glücklich und stolz auf das Geleistete saßen wir vor dem Lagerfeuer. Zur Nachspeise gab‘s Haferkekse mit Erdnussbutter und Marmelade. Begegnet waren wir niemandem mehr seit unserem Aufbruch.
Der nächste Tag weckte uns mit strahlend blauem Himmel und Wind. Zum Frühstück gab‘s Bannock,
das Trapperbrot in der gusseisernen Pfanne über dem Feuer gebacken. Eigentlich hätten die 5 restlichen Fladen bis Mittag reichen sollen. Elf Stunden, 4 Snickers, 400 g Haferkekse, und ....... Bannock später, war nach 40 km paddeln das Ende des Sees erreicht. Jetzt hatten wir, nach einigen selbstverständlich rein sachlich geführten Auseinandersetzungen den Bogen ziemlich raus, wie man ein Kanu möglichst effektiv vorwärts bringt.

In den nächsten zwei Wochen auf dem Yukon, in denen wir außer Bill, einem Goldwäscher mit seiner Mini-Dredge auf einer Sandbank keinem Menschen begegneten, wurde uns die Abgeschiedenheit des Gebietes, durch das wir uns mit unserem Kanu bewegten, erst richtig deutlich. Die Elchkuh, die ihre neugierigen Kids in die Sicherheit des Waldes scheuchte, die Alarmsignale der Biber, der über uns hinweg fliegende Seeadler, die sehnsüchtig traurigen Rufe der Loons, der Eistaucher. Wir waren wie verzaubert vom wirklich unberührten Wald, dem Moos, in dem man bis über die Knöchel versank, den grandiosen Sonnenuntergängen, die nicht durch Luftverschmutzung getrübt waren und der Stille des Abends.
Relikte aus der Zeit des Goldrausches wie das Gerippe eines gestrandeten Schaufelraddampfers am Ausgang des Sees, oder Shipyard Island mit dem seit 1913 hier "nur" für einen Winter zurückgelassenen Schaufelraddampfer "Evelyn" oder verlassene Handelsposten und Stationen der Royal Mounted Police ( RCMP ) ließen vor unseren Augen das Bild, das sich 1896 bis 1899 hier geboten haben musste, sehr lebendig werden.

Damals waren am 28. Mai 1898 bei Eisaufbruch 30000 Menschen vom Ende des Lake Bennet und von Lindeman City in 7000 selbstgezimmerten Booten nach Dawson, dem Ort des Klondike Goldes, aufgebrochen.
550 Meilen Fahrt über 4 Seen und durch die gefürchteten Whitehorse-Rapids und Five-Finger-Rapids auf dem Yukon lagen vor Ihnen. Eine Armada von Glücksrittern, die die Berge rund um die Seen kahl geschlagen hatten. Sie hatten bereits unsägliche Strapazen hinter sich nach ihrem Weg über den Chilkoot Pass mit einer Tonne Ausrüstung, auf der die RCMP für die Einreise nach Kanada bestand.
Tragisch, dass bei ihrer Ankunft in Dawson die besten Claims bereits vergeben waren, so dass den meisten, die beschlossen zu bleiben, nichts anderes übrig blieb, als für die etablierten Claimbesitzer zu arbeiten, oder sich mit wenig Erfolg verspechenden Claims zufriedenzugeben. Für viele war das Abenteuer Klondike mit dem Erreichen von Dawson, das damals mit seinen bis zu 35000 Einwohnern die größte Stadt nördlich Vancouver und westlich von Winnipeg war, zu Ende. Sie verkauften alles was sie hatten, um mit einem der ersten Schaufelraddampfer, die Dawson im Frühjahr nach dem Eisaufbruch erreichten, die Heimreise nach dem "größten Abenteuer ihres Lebens" anzutreten.

Wir beendeten unsere erste Kanutour in Carmacks, verkauften das Kanu in Whitehorse und gingen mit Janice aus Ontario, die heute in Dawson lebt, gegen Benzinkostenbeteiligung auf die Reise durch den Yukon. Wir hatten sie nach ihrer 12-tägigen Solofahrt den Teslin runter in Carmacks kennengelernt.
Nur mit 5 kg Reis und selbstgefangenem Fisch und der alten Winchester ihres Vaters war sie den Fluss auf einer Prospecting-Tour runtergefahren. Sie hatte einen Platz ausgemacht, wo sie sich einen Claim abstecken und nach Gold schürfen wollte. Ihr Angebot, als Teilhaber mit einzusteigen, mussten wir nach meiner Nierenkolik auf dem Fluss ablehnen.

Nach unserer Rückkehr nach Deutschland wussten wir noch nichts vom Yukon-Virus, den wir bereits in uns trugen. Den nächsten Sommer schafften wir es noch ohne den Yukon auszukommen. Dann sah er uns jeden Sommer beim Kanufahren, im Jahr 1995 dann für 8 Monate, in denen Auroratours-Yukon geboren wurde.


Der Yukon ist ein Drittel größer als Deutschland mit 32000 Einwohnern, wovon 28000 in und um Whitehorse, der Hauptstadt und einzigen "Stadt" leben. Whitehorse hat einen internationalen Flughafen, auf dem in den Sommermonaten auch die Direktflüge der Condor und der Transat Frankfurt und der Balair aus Zürich ankommen. Während des übrigen Jahres fliegt Air Canada, zum Teil mehrmals täglich, von Vancouver.

Whitehorse ist Ausgangspunkt für alle Unternehmungen im Yukon und verfügt über alle nötigen Einrichtungen, von bis zu 5-Sterne Hotels, Restaurants, Autovermietungen, "Obi"- und "Grosso"-Markt diversen Sportgeschäften und selbstverständlich auch einer Reihe von Kanu-Unternehmen. Das Preisniveau ist bedingt durch die Lage ( nach Vancover sind es 2400 Straßenkilometer )
etwa 30% höher als im Süden. Whitehorse selbst hat nach Modernisierungsmaßnahmen leider fast allen Charme verloren. Goldrausch-Feeling hat man mehr unten am Meer in Skagway oder in Dawson.


Die Flüsse im Yukon
Die Einteilung möchte ich analog zu Ken Madsens "Paddling in the Yukon" nach "watersheds" (Wasserscheiden) vornehmen:


Alsek Wasserscheide

mit Alsek, Tatshenshini, Blanchard, Nakina, und Dezadeash River, die sich ausser letzterem mehr für extreme Kajakfahrer eignen.


Yukon Wasserscheide

mit Yukon, Big Salmon, Teslin, Nisutlin, Donjek und White-River Pelly, Ross, South MacMillan, Steward, Mc Questen, Lapie, Wheaton und noch einigen anderen, die alle für uns Kanufahrer geeinet sind.


Peel Wasserscheide

mit den Traumflüssen Bonnet Plume, Snake und Wind, die alle in den Peel fliessen. Porcupine, Firth und Hart im hohen Norden. Etwas für anspruchsvolle und sehr geübte Kanuten. Wie auch der Stikine im Norden von BC und der legendäre Mountain-River in den NW-Territories


Der Yukon bietet so viele Flüsse, dass man hier geboren sein müsste, sie alle zu fahren. Einen Fluss im Yukon zu fahren heißt, sich in einer Welt zu bewegen wie sie sein sollte, wie sie vor Ihrer Zerstörung oder Beinflussung durch uns zivilisierte Menschen war.


Wenn wir einen Ausflug in diese Welt unternehmen, sollten wir uns so verhalten, dass Nachfolgende dasselbe erleben können wie wir. Dass wir nach Möglichkeit keine Spuren unseres Hier-gewesen-seins hinterlassen und den Tieren mit Respekt und Staunen begegnen, sollte selbstverständlich sein, was uns im Falle eines Bären nicht schwerfallen dürfte.
Bei einer Kanutour dort bewegt man sich abseits jeglicher Zivilisation und ist ganz auf sich selbst gestellt.
Auch Satellitentelephone funktionieren dort nicht immer und überall. Dafür dürfen wir im Schein der Mitternachtssonne durch das Land des Raben auf den Spuren Jack Londons nach Norden ziehen. Gerne stehe ich jedem Kanufreund, der den Yukon auf eigene Faust erleben möchte, mit Rat und Tat zur Verfügung.


Bernhard Unterladstetter

80689 München

Tel. 089 / 58 99 81 43

Marshlake Yukon Canada

Tel. 001 867 660 4732

 

 

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